Limburg-Eschhofen. Chorleiter Frank Sittel war schon immer für die unterschiedlichen Erscheinungsformen in der Musik aufgeschlossen. Seit 25 Jahren hat er die musikalische Leitung des MGV „Fidelio“ Eschhofen, der mit seinen Intentionen immer gut gefahren ist. Das wissen die singenden Männer um Frank Sittel zu schätzen. Auch die seit einigen Jahren praktizierende „Morgenstunde“ im Bürgerhaus geht auf seine Idee zurück.War man vielleicht am Anfang etwas skeptisch, an einem Sonntag um 11 Uhr eine Matinee zu veranstalten, so ist das genau eine Stunde dauernde Morgenkonzert inzwischen zu einem Publikumsmagnet geworden, das aus dem Terminkalender im Mai nicht mehr wegzudenken ist. Das Rezept des tüchtigen Chorleiters ging also auf, von dem nicht nur Chorliebhaber, sondern auch prominente Vertreter des öffentlichen Lebens begeistert sind. Für den Zuspruch dankte der neue 1. Vorsitzende des „Fidelio“, Clemens Friedrich.Das Besondere an dieser Morgenveranstaltung ist die Programmauswahl hochwertiger Chorliteratur mit konzentriertem Singen und Zuhören. Erst am Programmende kommt der verdiente Beifall auf.
Man muss die Leute dazu motivieren, wieder neugierig zu werden. Das gilt auch für die Gastinterpreten. In diesem Jahr war es der 1969 in Hamburg geborene Sören Thies, ein studierter Musiker, der erst mit 19 Jahren seine Liebe zum Akkordeon entdeckte. Das Instrument, das man noch oft abwertend als Schiffer-Klavier bezeichnet, hat im Laufe der Jahre auch in der Kunstmusik seine Anerkennung gefunden. Bei der Klezmer-Musik, die häufig an die orientalische Harmonik erinnert, wird jetzt viel das Akkordeon verwendet, das Sören Thies im Spiel ausgezeichnet beherrscht.
Insofern fand der Gesang der Männer mit dem Einsatz des Künstlers eine wirkungsvolle Ergänzung. Denn Sören Thies singt in Deutsch, Jiddisch und Französisch und hat eine Reihe eigener Lieder von deutsch-jüdischen Dichtern des 19. und 20. Jahrhunderts neu vertont. Der Solist spielt ein Musette-Akkordeon mit dem charakteristischen Register, das Improvisation, Ausdruck und Leidenschaft gleichermaßen einschließt. Sehr schön kam das tänzerische „Tap’tite flamme“ rüber, das an die Atmosphäre der Pariser Hinterhöfe erinnerte.
Das Programm des „Fidelio“-Männerchors war in jeder Beziehung ansprechend. Ganz nach dem Gestaltungsgesetz des jeweiligen Chorstücks oder Volkslieds führte Frank Sittel jene Sangeskunst vor, die auf Klangdichte, saubere Intonation und Gestaltungswillen beruht. Dabei ist die Homogenität des Chorklangs äußerst beachtlich, die sich besonders in den alten Madrigalstilen lobenswert auszeichnet. Hier besonders „In maienhellen Tagen“ von Giovanni Gastoldi (1556–1609) und „Im schönen Monat Maien“ von Thomas Morley (1557–1603). Eingeleitet mit „Sententia Musica“ über weitere Chorsätze aus Sittels Feder bis hin zum „Nachklang“ von Heinrich Poos (geb. 1928) hatte die gesamte Morgenstunde wieder Stil und Format, die mit durchdachten Rezitationen seiner musikalisch hochbegabten Tochter Jutta de Bruin einen deklamatorischen Gegenpol in der Kunst des Sprechens darstellten. Der gefühlsstark zitierte Text „Neue Liebe, neues Leben“ von Johann Wolfgnag von Goethe (1749–1832) wird selten so gelesen.
Eine wirklich schöne Morgenstunde wurde dem begeisterten Publikum beschert.